Kategorie: Gedanken

Die sehen alle gleich aus

Die sehen einfach alle gleich aus. Wir lachen. Hinten rechts, da sitzen wir meistens. Drei Reihen vor mir schaut jemand einen Film, ein Typ klickt sich durch Facebook. Irgendwo knuspert ein Brötchen.
Vorne zieht Folie nach Folie an mir vorbei.
Es ist rumsitzen mit gutem Gewissen, weil man ist ja immerhin hergefahren. An die Uni, den Ort der Bildung.
Wir sitzen uns alle klug.

Es klopft, ich schaue auf. Vorlesung zu Ende. Nächstes mal klopfe ich mal für die Klofrau, wieso eigentlich immer nur für die angesehenen Berufe applaudieren.
Am Gang begegne ich einem weißen Mann, der, sagen wir mal seinen besten Jahren schon entflohen ist. Ich schaue ein bisschen zu lange hin, irgendwie kenne ich den doch. Chemie? Mikroökonomie?
Die sehen einfach gleich aus.
Die sehen einfach alle gleich aus.
Die sehen einfach alle gleich aus.
Fuck, die sehen einfach alle gleich aus und das ist ein Problem.

Die Diversität der Professoren ist beinahe nicht vorhanden. Ein weißer Cis Mann nach dem anderen liest uns Zitate von anderen weißen Cis Männern vor und wir können nicht anders als zuhören, wenn wir in diesem System weiterkommen wollen.
Vielleicht gibt es nicht genügend Frauen, People Of Colour, sich nicht binär identifizierende ProfessorInnen. Come on, really? Und selbst wenn – schon mal überlegt warum?

Das Problem ist nicht nur die Besetzung dieser Stellen, sondern auch die Wirkung auf uns Studenten.
Ganz ehrlich? Wenn mir da wieder so ein Heinz Matthias Wolfang etwas über Wasserwirtschaft erzählt, kann ich mich nicht in diesem Feld sehen. Ok, das hat vielleicht auch noch andere Gründe.
Aber ich lehne mich mit gutem Gewissen aus dem Fenster und sage, je nachdem ob ich mich mit dem Professor, der Professorin identifizieren kann im weiten Sinne, entscheidet mit welchem Gefühl ich in einer Vorlesung sitze und wie viel ich lerne.
Es geht außerdem nicht nur darum, sich repräsentiert zu fühlen und die verschiedenen Berufe und Felder (emotional) erreichbarer zu machen. Auch eine Vielfalt an Lebensrealitäten, Hintergründen und Sichtweisen ist enorm wichtig.
Durch Social Media kann ich mir Vielfalt in den Alltag holen und Menschen begegnen, die sonst meinen Weg nie kreuzen würden, ich kann die Blase in der ich lebe Stück für Stück platzen lassen. Ich kann mein Ohr endlich denen zuwenden, die gehört werden müssen. Menschen mit Migrationshintergrund, People Of Colour, Gender Not Confirming Menschen, … you name it – zuhören.

Aber wieso muss ich dazu online gehen?
Liebe Uni – wieso kann ich das nicht in den Vorlesungen tun? Wann lässt ihr endlich Menschen sprechen, die nicht alle gleich aussehen?

Am liebsten würde ich fuck the system schreiend aus dem Hörsaal rauschen, aber jetzt sitze ich hier und schreibe diesen Text. Weil ich an Bildung glaube. Nur nicht auf diese Art wie ihr sie uns bietet.

Ps: Du stolperst über die Bezeichnung „weiß“ und hast noch nichts über strukturellen Rassismus gehört ? Lese die letzten drei (und nicht nur die) von Arpana Aischa auf Instagram @a_aischa über Weiße Männer.

Pps: Dir fällt die fehlende Diversität in anderen Bereichen auf? Rede darüber, schreib darüber! Oder schau dir den coolsten politischen Adventkalender von Mirabella Paidamwoyo auf Instagram @mirabellapaidamwoyo an.

Vergessen um die Einfachheit

ich sehne mich nach fremden städten,
nach orten, an denen alles komplexer scheint,
jeder unverstandene satz bedeutung erhält, jedes wort die möglichkeit hat, alles zu sein.
nach geheimnisvollen gesprächen,
deren sinn nur an gesten hängt und
in gesichter zu lesen ist.
ich sehne mich,
nach straßen, die sich schlängeln,
die durch überraschung schönheit gewinnen,
aus denen die normalität und hässlichkeit gewaschen wird, um mit neugier und erkenntniss gefüllt zu werden.
nach dem dazwischen,
wenn stereotypen sich auflösen,
nur um an der nächsten ecke bestätigt zu werden, und das im endlosen kreislauf.
nach der verklärtheit,
wenn alles neu ist,
sich das auge nur auf die schörkeligen fenstergitter und grüne parkecken stürzt.
wenn sich die eindrücke durch deine gedanken spiralisieren,
bis sie alles einnehmen,
bis sie das letzte bisschen alltag verdecken,
du nur da bist.
ich sehne mich nach dem staunen,
gemischt mit der überwältigung und angst vor dem fremden.
ich sehne mich danach, verloren zu gehen,
in mir selbst.
ich sehne mich nach dem vergessen,
dem selbstvergessen.
dem vergessen des wissens
um die einfachheit des menschen,
meiner eigenen.
nach dem vergessen der grauenvollen wiederholung,
der gleichheit,
der brutalen realität der menschen.
ich sehne mich nach freiheit,
der freiheit jeden tag neu zu sein,
danach die rolle zu verlassen,
die eigentlich auch sicherheit bietet.
ich sehne mich nach träumen.
träumst du mit mir?

Sinn oder Sein

manchmal braucht es nur ein bisschen licht, das auf der haut tanzt, um loszulassen. loszulassen von dem gedanken irgendwo anders sein zu müssen, irgendetwas wichtigeres tun zu sollen und ständig etwas zu verpassen.
ja, wir verpassen ständig ganz ganz viel und die sozialen medien halten das uns ja täglich unter die nase und leuchten es bis spät in unsere gesichter, aber das ist nun mal einfach so. und nur weil wir etwas anderes irgendwo verpassen, müssen wir nicht das jetzt und hier aufgeben.
ob alles einen sinn hat, dass weiß ich nicht, aber wenn ich raten müsste, dann würde ich sagen, dass er wahrscheinlich nicht am strand von bali gehortet ist, sondern irgendwo zwischen den lichtern tanzt und unter den füßen raschelt, wenn wir ihn bemerken. aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig und wir sollten die suche nach dem sinn mal mit der suche nach dem sein tauschen, bis wir wieder die sonne auf unserer haut spüren und nicht nur den glanz der anderen bewundern.

Irgendwo zwischen du und ich

wie viele ich’s lerne ich noch kennen und wie viele du’s?
bin ich nur ich, wenn ich mit und bei mir bin, oder ist das ich, dass ich bei dir bin genauso wahr?
wenn ich mich anpasse wie ein chamäleon, passiert das dann aus einer harmoniesucht, aus unsicherheit heraus oder ist das einfach die natur der sache?
wann lerne ich das ich kennen, dass ich nicht mehr gehen lassen möchte und wer bist du, der dieses ich aus mir herausbringt?
und was ist denn eigentlich schon ich und was du?

Gebrochene Waage

ich glaube, es gibt stellen im leben, an denen alles umgewichtet wird. dazu muss erst alles brechen, um dann neu geklebt zu werden.
vor mir am boden liegen sie verstreut, all die privilegien. die, die ich hatte, die ich verloren hab und die, mir in die hand gedrückt wurden, ohne dass ich danach fragen musste.
ich lege sie zu mustern. die geschenkten häufen sich auf, die anderen liegen plötzlich still daneben. ich wiege sie ab und merke, dass man farben und situation schwer auf eine waage packen kann. und was ist schon körperform gegen lebensform oder wie misst man trauma, in metern oder kubikmetern?
ist körperliche gesund höher als mentale und welche ist breiter?
so viele scherben, so viele stückchen, wo soll ich denn nur damit hin. und für die geschenkten – muss ich da etwas zurück schenken oder reicht eine danksagungskarte und an wen schicke ich diese?

Du bist, weil du willst

warum will ich eigentlich was ich will? ist das eine freie entscheidung oder bin ich opfer all der farben und töne die meine augen, ohren und finger durchfluten und sich festsetzten in zwischen den gehirnwindungen?
individuell wollen wir sein, wir möchten uns in charakter und charisma wickeln und so unser ich auf schulter, zeh und nase in die welt tragen.
mit den sich entwickelten wellen möchten wir schwimmen, nein, wir möchten sie durchtauchen, um ja der erste am strand zu sein; also ich habe das ja schon getragen bevor es angespült wurde und alle tief im sand standen. das mitschwimmen, das ist verpönt ja, wie unselbstständig, wie unoriginell.
sollen wir deshalb augen und ohren schließen, damit sich nichts in das ich unserer farbe mischt? ist es dann überhaupt bunt oder einfach nur tiefschwarz?
und wie größenwahnsinnig müssen wir eigentlich sein, den gedanken zu hegen eine neue farbe erfinden zu können?
natürlich müssen wir hin und wieder auf den grund tauchen um zu überprüfen, ob wir in diesen wasser überhaupt schwimmen wollen und ja, manchmal macht es mir angst, wie leicht ich durch strömungen meine richtung ändere, aber deshalb möchte ich nicht ins trockene. ich möchte schwimmen in diesem einen großen nass dieser welt, bis sich jede farbe mischt, irgendwann wird es sowieso schwarz und still.

Tagfang

manche tage wollen sich nicht fangen lassen zwischen schwarz und weiß, nicht fallen zwischen hoch und tief. sie zerfließen in ein undefinierbares nichts. nichts bringt mich zum brennen, kein gedanke sprüht, jede bewegung rührt nur von gewohnheit. das leben fühlt sich wie ein einziger blick ins narrenkastl an.
und wenn du ihn dann schon wegpacken willst, einsortieren in die vergangenheit, holt dich eine stimme aus und in den takt und es ist schön, tief drinnen. es stößt etwas an, das sich noch nicht skizzieren lässt. der körper fühlt sich erinnert, an alt und neu. /

dieser text ist durch wort, bild und ton der großartigen anna kohlweis angeregt worden. wenn euch einmal die gelegenheit vor die füße fällt sie live zu erleben, packt nichtigkeiten weg und geht geht geht hin.

Privilegien – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie bitte Gewissen und Moral

plötzlich liegt es sich nicht mehr so weich und die gemütlichkeit hat einen metallenen beigeschmack. überall wo ich hinsehe, hängen meine privilegien, an den wänden und im schrank und auf meiner haut. stirnrunzelnd schaue ich sie an, so als wären sie nicht schon immer da gewesen. nur hin und wieder fehlt auch ein stück, da sind auch dellen und löcher, aber keines ist so groß, dass ich hineinfalle und vielleicht nicht mehr hinaus komme. und die privilegien, die sonst unbemerkt den teppich ausrollen, schauen mich fordernd an. ich kann den blick nicht abwenden. was bringen sie mit sich? wie schwer wiegen sie? was steht denn  in ihrem beipackzettel, was sind denn da die riskien und vor allem die nebenwirkungen? und ist die kraft besser investiert andere um die löcher zu führen, in die man selber hineingefallen ist oder ist es besser, die löcher der anderen zu stopfen, die sich einem nie aufgetan haben? wäre dann die gemütlichkeit wieder warm und gut?

Anrennen gegen das Schweigen

die oberflächen glänzen und der abend zeigt sich sanft und trotzdem hat die ruhe eine spannung, die luft baut sich auf als würde sie gleich platzen und die stille als würde sie implodieren bis es kracht und das regal nichts mehr halten kann bis alles sich am boden in scherben häuft.
was soll man da noch sagen, außer dass man was sagen muss. ich rücke nervös auf den sofa herum, das, ich weiß, auf meinen privilegien gebaut ist.
ich fühle mich gleichzeitig nicht in der position die richtigen worte zu finden, den ton anzuschlagen der sich aufdrängt und genau in der position etwas sagen zu müssen, zu wollen.
alles, was sich im kopf formuliert, bleibt im hals stecken, klingt es doch zu klein und falsch, aber das stumm bleiben noch viel falscher.
vielleicht sollten wir gemeinsam schreien, schreien, schreien.
um der mitmenschen willen, nicht um unser eigenes bild zu polieren und schlafen zu können, nein, schreien für die menschen.
neben dem schreien, dürfen wir doch nie nie nie vergessen, die ohren und augen zu öffnen für die geschichten und gedanken derer, denen so oft die bühne verwehrt wird. denn deshalb bin ich hier, hier um mir stimmen ins wohnzimmer und worte vor die augen zu holen, die sonst nicht an mich dringen würden.
ich habe auch noch nicht den richtigen schlüssel gefunden und maße mir auch nicht an das zu können, aber deshalb kann ich ja nicht einfach jede tür zu lassen.
vielleicht ist nun all das auch wieder zu vetraxt, aber es ist ein versuch und ein anrennen gegen das schweigen und ein lautes HÖRT ZU an euch, an mich.
denn die stille und eintracht schmeckt momentan sowieso bitter, die sonntage bleiben picksüß am gaumen kleben, merkt ihr es nicht?