Warum killen wir unsere Kreativität ? Wie und wann passiert das ?
Diese Frage ist mir bei diesen Post von @annaxwilde gekommen.
Ich habe überlegt – warum habe ich aufgehört Geige zu spielen, zu malen, den ganzen Tag zu lesen und zu schreiben ?
Ja, zum einen sind es die von ihr erwähnten „wichtigeren“ Dinge.
Wir geben Kreativität für andere „To Dos“ auf. Früher waren es die Hausaufgaben, dann die Arbeit, Erledigungen, der Alltag.
Wir messen ihr keine Priorität bei – sie ist eher Zeitvertreib, eine Spielerei ohne Zweck.
Sie ist eine Möglichkeit, kein Muss. Sie bringt uns nicht weiter im Leben. Oder tut sie das ?
Ich denke, wir vergessen dabei wie sehr sie das eigentlich tut. Denn betätigen wir uns kreativ, gewinnen auch unsere anderen Tätigkeiten. Der Kopf ist frei, mehr Energie für kreative Lösungen ist da und wir sind ausgeglichener.
Ja, vielleicht bleibt uns weniger Zeit, aber ich glaube, dass wir die Zeit dann viel effektiver und motivierter verbringen.
Und das ist keine gerade Linie – je öfter wir uns kreativ beschäftigen, desto mehr steigt unsere Kreativität.
Das klingt vielleicht verkehrt, aber Kreativität kann man üben.
Mir hat einmal ein Dichter erzählt, er schreibe jeden Tag, um so nie aus der Übung zu kommen. Und ich beobachte es an mir selber – je öfter ich schreibe, umso leichter fällt es mir, umso mehr Spaß habe ich dabei.
Doch ein weiterer Kreativitätskiller liegt gerade in deiner Hand.
Als ich klein war, war mir oft langweilig. Ich war dadurch gezwungen kreativ zu werden und verbrachte so ganze Tage malend, lesend.
Und eines kann ich dir sagen, Langeweile ist der beste Freund der Kreativität.
Ist uns langweilig, ist der Kopf frei, wir haben nicht in den Hintergedanken, was wir alles stattdessen tun sollten.
Doch – wann war dir das letzte Mal langweilig? Ich kann mich nicht erinnern und auch nur bei dem leisesten Anflug – das Handy, der Computer griffbereit.
Das diabolische Dreieck – Instagram, Facebook, YouTube – jederzeit da, um deine Zeit zu fressen. Das ist auch für unsere Konzentration ein echtes Problem.
Arbeiten wir ungestört, kommen wir nach 15 Minuten in einen Flow – den „Zustand völliger Vertiefung in eine Tätigkeit“ , wir fühlen uns „konzentriert, weder unter- noch überfordert, zeit- und selbstvergessen“ und vor allem eines – produktiv.
Doch wie soll das passieren, wenn wir durchschnittlich jede 18 Minuten vom Handy unterbrochen werden, laut Informatiker Alexander Markowetz. Ich glaube, es ist in meiner Generation noch wesentlich öfter.
Kennen wir nicht alle diese WhatsApp Gruppenchats – unnötiger als unnötige Nachrichten, die unsere Konzentration stehlen.
Doch mit der erhöhten Handynutzung steigt nicht nur die Zahl an gestressten, depressiven Leuten, sondern es leidet eben auch unsere Kreativität.
Auch, wenn es sich nicht so anfühlt, haben wir viele freie Minuten am Tag.
Wenn wir auf die Straßenbahn warten, wenn wir von einem Termin zum nächsten spazieren, wenn wir essen.
In all dieser Zeit könnten unsere Gedanken frei streifen. Doch es kommt nicht dazu, weil wir unser Handy in der Tasche spüren, weil wir während dem Abendessen eine Serie anschauen.
Wir minimieren unsere Zeit fürs Nachdenken, wie es nur geht. Das geht so weit, dass es schon fast unangenehm ist, alleine in der Stille zu essen, ohne Musik zur Straßenbahn zu gehen.
Wir haben die Stille zu fühlen verlernt.
Vielleicht macht es uns ja auch unbewusst Angst unseren Gedanken freien Lauf zu lassen. Denn dabei könnten ja unsere Gefühle zum Vorschein kommen. Oder Kreativität entstehen.
Mit der Störung der Konzentration, verlernen wir auch die Geduld. Wir müssen ja heutzutage nicht mehr wirklich warten, wir können es uns ja gar nicht mehr leisten zu warten.
„Don’t you know how busy and important I am? I got so much to do.
…
Maybe I’m just trying to distract myself from my mortality.
Oh I’m too busy to see the sky
I’m too busy to know
Too busy to fly
Too busy to die
Too busy to rest my soul “
– Tom Rosenthal
Unsere Wartezeiten verbringen wir am Handy. Sitzen wir vor einer schriftlichen Aufgabe, der Kopf scheint gerade leer – Handy her. Wir haben nicht mehr die Geduld, Leere auszuhalten.
So kann Kreativität frustriert sein, denn manchmal wird es nicht so, wie wir uns es vorstellen, wir müssen geduldig weitermachen, üben. Ich denke, Kreativität lehrt uns Geduld.
Zum Beispiel Kalligrafie ist anfangs eine Herausforderung an unsere Geduld, doch bleiben wir dran, kommen wir in den „Flow“, ist es herrlich entspannend und konzentrationsfördernd zugleich.
Vor ein paar Wochen war ich bei einem Digital Detox Camp der Wurzelwerkstatt, ein anderes Mal mehr darüber. Aber der „Handy-Entzug“ und das gemeinsam kreativ sein, hat wahnsinnig gut getan.
FOTOS: Maximilian Salzer
Meine kreativsten Momente sind immer unvorhersehbar. So bin ich am Heimweg und muss kurz in den Straßen stehenbleiben, um die Abschlussrede, die mir soeben in den Kopf geschossen ist, nieder zu schreiben.
Irgend ein Haus, ein Blatt hat meine Kreativität entfacht. Denn ist unser Kopf einmal frei, der Körper beschäftigt, fällt uns einiges ein. Und manchmal nichts. Aber das ist auch okay. Kreativität ist nicht planbar, Kreativität passiert. Wir können nur die richtigen Gegebenheiten schaffen. Wir können uns vor ein weißes Blatt setzten, das Handy weit weg.
Schlussendlich sollten wir der Kreativität wieder mehr Wert beimessen, wir sollten sie und ihre Effekte zelebrieren, genießen und vor allem eines – sie praktizieren.
Egal ob mit Farbe, Buchstaben oder in unseren Gedanken.