Urban Anouk

Sommeretikette

es ist so heiß, dass alles platzen möchte.
die luft, die erde, genauso wie die äpfel auf der wiese.
mein kopf schwindelt vor pickigem vanillearoma, dass in den gassen hängt.
ein kind rennt mir entgegen, die sorge der mutter ist kleiner als die schwere in ihren beinen.
auf dem rücksitz schaukelt eine mineralwasserflasche, genauso ekelhaft lauwarm wie all unsere körperflüssigkeiten.
am kinn des kindes klebt das, was als erdbeer verkauft wird, rosa und klebrig.
die luft ist so süß, dass sie schon fast sauer riecht.
ein tropfen rinnt mein bein herunter und bleibt in der kniekehle sitzen, ich überlege ob meine mannerschnitten jetzt auch schmelzen, zuhause im regal.
die ganze stadt schwitzt lauthals leise, einige bäume vertschüssen sich schon in den herbst.
ich drehe die musik lauter, so als könnte sie die temperatur überdecken.
und während wien raunzend und haaas mit eisgefüllten bäuchen vor sich hin vegetiert, da pflege auch ich meine sommeretikett mit dem viertelstündlichen hinweis auf die hitze an jeden, der nicht eher flüchtet, aber wer tut das schon, bei 38,5.
hinter einem seufzer, so theatralisch wie es sich in der stadt, an der die milde arroganz von den stuckfassaden bröckelt, gehört, verstecke ich meine liebe.
meine liebe zu dieser abartigen hitze, dem gefühl dass es dir eine zelle nach der anderen wegbrennt, die gedanken so langsam wie bewegungen unter wasser, die stadt gelähmt und alles endlich nicht mehr rennt, sondern sich eine langsamkeit zugesteht und nichts außer die frage pistazie oder haselnuss oder doch zitrone einen sinn macht. / 

AUGUST 2018